Publikationsdatum: 21.11.2025
Autor: Eric Gujer (NZZ)
Quelle: NZZ.ch
Publikationsdatum: 21.11.2025
Lesezeit der Zusammenfassung: 4-5 Minuten
Executive Summary
Die Schweiz musste sich in einem intransparenten "Zolldeal" den Forderungen Trumps unterwerfen und damit ihre traditionelle regelbasierte Aussenpolitik aufgeben. Der Kommentator warnt vor der neuen "Weltunordnung", in der Grossmächte ihre Interessen mit wirtschaftlichem Zwang durchsetzen, während kleine Staaten zu "Bemühenszusagen" und Tributzahlungen gedrängt werden. Paradoxerweise bietet die kritisierte EU trotz ihrer Machtasymmetrie mehr Rechtssicherheit und planbare Verfahren als das willkürliche Geschacher mit Washington.
Kritische Leitfragen
Wie weit kann ein kleiner Staat seine Souveränität wahren, wenn die regelbasierte Weltordnung durch Machtpolitik ersetzt wird?
Ist die Schweizer Neutralität noch mehr als ein "fadenscheiniges Mäntelchen", wenn gleichzeitig Sanktionen übernommen und Tributzahlungen geleistet werden?
Welche langfristigen Folgen entstehen für die Demokratie, wenn internationale Beziehungen vom Rechtsstaat zum "orientalischen Basar" degradieren?
Szenarienanalyse: Zukunftsperspektiven
Kurzfristig (1 Jahr):
Weitere Erpressungsversuche durch Trump mit neuen Forderungen zu Sanktionen und Handelsbilanz-Ausgleich. Politischer Druck auf die Schweiz, das EU-Vertragspaket als "kleineres Übel" zu akzeptieren.
Mittelfristig (5 Jahre):
Erosion der schweizerischen Aussenpolitik-Tradition. Kleine Staaten passen sich an die neue "Tributlogik" an. EU könnte ihre Position gegenüber der Schweiz verhärten, aber weiterhin rechtsstaatliche Verfahren anbieten.
Langfristig (10-20 Jahre):
Vollständige Transformation der internationalen Ordnung hin zu regionalen Einflusssphären. Schweiz wird zwischen EU-Integration und US-Abhängigkeit entscheiden müssen, da echte Neutralität unmöglich wird.
Hauptzusammenfassung
Kernthema & Kontext
Die Schweiz steht exemplarisch für das Ende der regelbasierten internationalen Ordnung. Nach dem gescheiterten ersten Versuch von Bundespräsidentin Keller-Sutter musste sich Bundesrat Parmelin (SVP) Trumps willkürlichen Zolldrohungen beugen und eine vage "Absichtserklärung" unterzeichnen, die eher einem Erpressungsvertrag gleicht.
Wichtigste Fakten & Zahlen
- 39% Zolldrohung von Trump ursprünglich, 15% finaler "Kompromiss"
- Tribut-Charakter: Schweiz lieferte teure Uhren und Goldbarren nach Washington
- Vage Zusagen: Investitionen, Handelsbilanz-Ausgleich und Sanktionsübernahme ohne Verbindlichkeit
- Machtverhältnis: Schweiz wirtschaftlich extrem abhängig von USA und EU
- Neutralitätserosion: Schweiz hat bereits multiple Russland-Sanktionen übernommen
Stakeholder & Betroffene
- Schweizer Exportindustrie (besonders Uhren, Pharma, Maschinen)
- SVP als "Souveränitätspartei" paradoxerweise federführend bei der Unterwerfung
- EU als Alternative mit strukturiert-rechtlichen Verfahren
- Kleinstaaten weltweit als Betroffene der neuen Machtpolitik
Chancen & Risiken
Risiken:
- Weitere Erpressungen durch Trump ("Wer einmal zahlt, tut dies auch beim nächsten Mal")
- Verlust außenpolitischer Planbarkeit und Rechtssicherheit
- Internationale Präzedenzwirkung für andere kleine Staaten
Chancen:
- EU-Verträge bieten mehr Rechtssicherheit als US-Willkür
- Schiedsverfahren statt "orientalischer Basar"
- Möglichkeit zur informierten Entscheidungsfindung bei bekannten Spielregeln
Handlungsrelevanz
Strategische Neuorientierung erforderlich: Die Schweiz muss sich von der Illusion absoluter Souveränität verabschieden und zwischen verschiedenen Formen der Einschränkung wählen. Die EU bietet trotz Machtasymmetrie rechtstaatliche Verfahren und Planbarkeit, während die USA reine Machtpolitik betreiben.
Ergänzende Perspektiven
Der Artikel reflektiert eine fundamental veränderte geopolitische Realität, in der die "liberale Weltordnung" der letzten 30 Jahre zusammenbricht. Für Führungskräfte bedeutet dies: Planungshorizonte verkürzen sich, internationale Vereinbarungen werden unsicherer, und Diversifikationsstrategien gewinnen an Bedeutung.
Quellenverzeichnis
Primärquelle:
Erst die EU und jetzt Trump: Jeder will der Schweiz seine Bedingungen diktieren
Verifizierungsstatus: ✅ Analyse basiert auf NZZ-Kommentar vom 21.11.2025