Wie Staat, Swisscom und Armee sich digital verheddern – und warum die NDP zum Risiko wird

Blog (DE)

Wie Staat, Swisscom und Armee sich digital verheddern – und warum die NDP zum Risiko wird

Eine leicht ironische, aber faktentreue Analyse

Übersicht – Worum geht es überhaupt?

Dieses Dossier ist eine kritische Zusammenführung zweier Themen, die offiziell nichts miteinander zu tun haben sollen – es aber sehr wohl tun:

  1. Der Bund gibt der Swisscom neue strategische Ziele.
  2. Die Armee baut mit Swisscom die NDP, eine der wichtigsten digitalen Plattformen des Landes.

Beide Geschichten zusammen ergeben ein Bild, das man höchstens mit einem starken Kaffee verdauen kann.

Ungefähr 8–10 Minuten Lesezeit.


Zusammenfassung – Damit du es schneller verstehst als der Bund digitalisieren kann

  • Die Neue Digitalisierungsplattform (NDP) der Armee soll das Rückgrat der militärischen IKT werden.
    Offizielle Infos:

  • Bereits jetzt gibt es Budget- und Zeitprobleme, teilweise massiv.
    Quelle:

  • Viele IT-Programme der Armee gelten als „gefährdet“ oder „verzögert“.
    Quelle:

  • Der Bundesrat lässt Swisscom in der neuen Eignerstrategie sicherheitspolitische Interessen priorisieren – ohne klare operative Messlatte.

  • Gleichzeitig entstehen paradoxe Rollen: Der Bund ist Eigentümer, Regulator, Finanzier, Besteller und Kontrolleur. Alles in Personalunion.

  • Diese Kollision führt zu strukturellen Fehlanreizen, mangelhafter Marktneutralität und einer Abhängigkeit, die niemand offen anspricht.


Warum die NDP in Schieflage ist – und was das über die Digitalisierungsfähigkeit des Bundes verrät

1. Unrealistische Erwartungen an eine militärkritische Plattform

Die NDP ist keine App, sondern eine hochsensible Infrastruktur.
Trotzdem wirken viele Projektannahmen, milde gesagt, ambitioniert.
Budget und Zeit wurden bereits verfehlt.

Fazit: Der Staat überschätzt regelmäßig, wie gut er komplexe Digitalprojekte steuern kann.


2. Politik setzt Ziele, versteht aber die Technologie zu wenig

Swisscom ist operative Partnerin, der Bund strategischer Eigentümer.
Eine Mischung aus politischem Wunschdenken und fehlender technischer Tiefe führt zu Fehlsteuerung.

Resultat: Abhängigkeit, Überforderung und ein wachsender Blindspot.


3. Verzögerung trotz höchster sicherheitspolitischer Relevanz

Der volle Betrieb ist frühestens 2026 geplant – in einer Zeit, in der sich digitale Bedrohungen täglich verändern.

Quelle:

Kritik: Das Tempo steht in keinem Verhältnis zur Dringlichkeit.


4. Kritische Anwendungen sind noch nicht bereit

Viele Subsysteme gelten weiterhin als riskant oder unvollständig.
Transparenz? Eher sparsam.


5. Sicherheit frisst Innovation

Mehr Sicherheit in der Swisscom-Strategie ist gut, aber ohne technische KPIs bleibt es ein Schlagwort.

Problem: Sicherheit ohne Agilität führt zu langsamen, schwerfälligen Systemen – besonders gefährlich im Militärkontext.


6. Plattformstrategie auf Papier ist keine Betriebsrealität

Die „Cubes“ und der modulare Ansatz klingen modern.
Aber die digitale Geschichte des Bundes zeigt:
Viele Plattformen bleiben PowerPoint, wenige werden Produkt.

Beispiele:

  • eID
  • EPD
  • E-Government Harmonisierung

Widersprüchlichkeiten: Wenn der Bund gleichzeitig Eigentümer, Besteller und Kontrolleur ist

1. Der Bund vergibt Aufträge an ein Unternehmen, das er selbst besitzt

Die Armee bezahlt – Swisscom verdient – der Bund kassiert Dividende.
Ein finanzieller Kreis, der jede Transparenz pulverisiert.

2. Marktneutralität? Nur theoretisch

Wenn ein halbstaatlicher Telekomriese Staatsaufträge bekommt, stellt sich die Frage:
Wäre ein privater Anbieter effizienter?

3. Rollenkollisionen ohne Ende

Der Bund ist gleichzeitig:

  • Eigentümer der Swisscom
  • Regulator des Marktes
  • Finanzier der Armee
  • Auftraggeber der NDP
  • Kontrolleur von Kosten und Qualität

Fazit: Der Staat kontrolliert sich selbst.
Unabhängige Qualitätskontrolle? Fehlanzeige.

4. Swisscom ist „zu wichtig zum Scheitern“

Selbst wenn die Leistung nicht stimmt, kann man den Hauptpartner nicht ersetzen.
Das führt zu einem riskanten Machtungleichgewicht.

5. Innovations- und Sicherheitsziele widersprechen sich

Swisscom soll gleichzeitig:

  • innovativ sein
  • sicher sein
  • profitabel sein
  • Versorgung sichern
  • Dividende liefern

Wer glaubt ernsthaft, dass das alles gleichzeitig geht?


Chancen & Risiken – Eine realistische Zwischenbilanz

Chancen

  • Die NDP könnte ein stabiler digitaler Rücken für die Armee werden.
  • Die Zusammenarbeit schafft Know-how an einem Ort.
  • Swisscom kann Sicherheit groß denken – theoretisch.

Risiken

  • Verzögerungen können sicherheitspolitische Lücken reißen.
  • Abhängigkeit von einem staatsnahen Anbieter mindert die Markteffizienz.
  • Fehlende Transparenz erschwert demokratische Kontrolle.
  • Die strukturellen Widersprüche erhöhen das Risiko systemischer Fehlschläge.

Blick in die Zukunft

Kurzfristig (1 Jahr):
Mehr Meldungen zu Zeit- und Budgetanpassungen.

Mittelfristig (5 Jahre):
Die NDP könnte laufen – oder ein neues Kapitel staatlicher IT-Probleme werden.

Langfristig (10–20 Jahre):
Die Schweiz entscheidet, ob sie digitale Souveränität ernst nimmt – oder weiterhin in strukturellen Widersprüchen gefangen bleibt.


Kurzfazit

Die NDP ist wichtig, aber sie ist auch ein Paradebeispiel für strukturelle Fehlanreize im Schweizer Staatsmodell.
Wenn der Bund gleichzeitig Eigentümer, Auftraggeber und Kontrolleur ist, fehlt die Distanz, die es für echte Effizienz braucht.
Wer hier nicht genau hinschaut, riskiert mehr als ein gescheitertes IT-Projekt: nämlich digitale Souveränität.