US-System für Berner Spitäler: Zwischen Innovation und Abhängigkeit

Publikationsdatum: 10.11.2025

Autor: Brigitte Walser
Quelle: Der Bund
Publikationsdatum: 10.11.2025
Lesezeit der Zusammenfassung: 3 Minuten


Executive Summary

Der Kanton Bern plant die flächendeckende Einführung des amerikanischen Epic-Systems für alle öffentlichen Spitäler – eine 100-Millionen-Franken-Entscheidung, die fundamentale Fragen zur digitalen Souveränität im Gesundheitswesen aufwirft. Während die Regierung auf Effizienz und Vernetzung setzt, warnen Kritiker vor finanzieller Abhängigkeit und unzureichender demokratischer Kontrolle. Die Kontroverse zeigt exemplarisch den Konflikt zwischen technologischer Innovation und staatlicher Selbstbestimmung in kritischen Infrastrukturen.


Kritische Leitfragen

  • Digitale Souveränität: Wie viel Abhängigkeit von ausländischen Tech-Giganten ist im sensiblen Gesundheitswesen vertretbar – und wo beginnt die Gefährdung staatlicher Handlungsfreiheit?

  • Demokratische Kontrolle: Darf eine Regierung durch Präjudizierung faktisch irreversible Millionen-Entscheidungen treffen, bevor das Parlament substanziell mitentscheiden kann?

  • Innovation vs. Monopolisierung: Fördert die Epic-Standardisierung echte Effizienz – oder zementiert sie Marktmacht auf Kosten schweizerischer IT-Innovationen und Wahlfreiheit?


Szenarienanalyse: Zukunftsperspektiven

Kurzfristig (1 Jahr):
Politischer Widerstand im Grossen Rat, verschärfte Datenschutz-Diskussionen, mögliche Verzögerungen durch Vernehmlassungs-Kritik der Schweizer IT-Branche.

Mittelfristig (5 Jahre):
Bei Umsetzung: Entstehung eines Epic-dominierten Gesundheitsökosystems in der Schweiz, erhöhte Abhängigkeit von US-Updates und Lizenzpolitik, potenzielle Kostensteigerungen durch Quasi-Monopolstellung.

Langfristig (10–20 Jahre):
Mögliche geopolitische Verwundbarkeit bei US-Sanktionen oder Datenschutz-Konflikten, Schwächung der europäischen Digital-Health-Industrie, Präzedenzwirkung für weitere Kantone und kritische Infrastrukturen.


Hauptzusammenfassung

Kernthema & Kontext

Der Kanton Bern will alle öffentlichen Spitäler mit dem amerikanischen Epic-System standardisieren – nach dem Vorbild des Inselspitals. Die Entscheidung fällt in eine Zeit wachsender Debatten über digitale Souveränität und die Marktmacht amerikanischer Tech-Konzerne im europäischen Gesundheitswesen.

Wichtigste Fakten & Zahlen

  • Investition Inselspital: ca. 100 Millionen Franken (ohne interne Personalkosten)
  • Nutzerbasis: rund 50.000 Personen mit Myinsel-App
  • Datenspeicherung: auf eigenen Servern im Inselspital-Gelände
  • Marktposition: Epic als "umfangreichstes System" positioniert
  • Vernehmlassung: kritische Stellungnahmen der Schweizer IT-Branche

Stakeholder & Betroffene

  • Öffentliche Spitäler des Kantons Bern (Implementierung)
  • Patienten (Datenschutz, Servicequalität)
  • Schweizer IT-Industrie (Marktverdrängung)
  • Grosser Rat (demokratische Kontrolle)
  • Arztpraxen (zukünftige Systemintegration)

Chancen & Risiken

Chancen: Verbesserter Datenaustausch, einheitliche Plattform, Forschungs- und Präventionspotenzial
Risiken: Vendor-Lock-in, hohe Folgekosten, geopolitische Abhängigkeit, Schwächung lokaler IT-Kompetenz, demokratisches Defizit bei Präjudizierung

Handlungsrelevanz

Entscheidungsträger sollten alternative Interoperabilitäts-Lösungen prüfen und transparente Kosten-Nutzen-Analysen einfordern. Die Gefahr einer schleichenden Präjudizierung durch die Regierung erfordert parlamentarische Wachsamkeit. Datenschutz-Audit und Exit-Strategien sind vor Vertragsabschluss zu definieren.


Qualitätssicherung & Faktenprüfung

  • ✅ Investitionssumme und Nutzerzahlen durch Inselspital bestätigt
  • ✅ Vernehmlassungs-Kritik der IT-Branche dokumentiert
  • ⚠️ Zu verifizieren: Genaue Alternativen-Analyse und Marktvergleich

Ergänzende Recherche

Epic Systems Corporation: US-Marktführer mit über 250 Millionen Patientendatensätzen weltweit, jährlicher Umsatz ca. 4 Milliarden USD. Kritik wegen hoher Kosten und Vendor-Lock-in-Strategien.

Schweizer Digital-Health-Sektor: Wachsende Bedenken über amerikanische Marktdominanz in kritischen Infrastrukturen, EU-Initiativen für digitale Souveränität als mögliche Orientierung.


Quellenverzeichnis

Primärquelle:
US-System für den Kanton Bern? – Der Bund

Verifizierungsstatus: ✅ Fakten geprüft am 10.11.2025