Publikationsdatum: 14.11.2025
Übersicht
- Autor: Mark Dittli
- Quelle: themarket.ch
- Datum: 14.11.2025
- Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten
Zusammenfassung des Artikels
Worum geht es?
China transformiert sich vom Importeur zum dominanten Exporteur in strategischen Industrien und überschwemmt die Weltmärkte mit Überkapazitäten. Während der erste China-Schock nach 2001 primär die USA traf, richtet sich der aktuelle zweite Schock gegen das industrielle Herz Europas - mit Deutschland als Epizentrum.
Wichtige Fakten:
- 40% Exportsteigerung: Chinas Exporte sind seit 2019 um rund 40% gestiegen, während Importe stagnieren
- 5 Mio. Fahrzeuge: China ist binnen fünf Jahren vom Nettoimporteur zum grössten Autoexporteur der Welt aufgestiegen (über 5 Mio. Nettoexport)
- 130'000 vs. 28'000 Euro: Beispiel Kabelverarbeitungsmaschine - Schweizer Anbieter 130'000 €, chinesische Konkurrenz unter 28'000 €
- 30 Mio. Jobs: In der EU hängen rund 30 Mio. Arbeitsplätze an der Industrie
- 20% BIP-Anteil: Deutsche Industrie beschäftigt 5,5 Mio. Menschen und trägt fast 20% zum BIP bei
- Seit 2015 forciert China mit «Made in China 2025» die Autarkie in zehn Schlüsseltechnologien
- 2020/21 Wendepunkt: Kreditumleitung von Immobilien- in Industriesektor um mehrere hundert Milliarden Dollar
Betroffene Gruppen:
- Deutsche Automobilindustrie und ihre Zuliefernetzwerke
- Schweizer Unternehmen in Maschinenbau, Elektrotechnik und Spezialchemie
- Europäische Industriearbeiter (30 Mio. Jobs unter Druck)
- Investoren in traditionellen Industriesektoren
- Manager von Exporteuren nach China
Chancen & Risiken:
Risiken:
- Struktureller Margenverfall in «strategischen» Industrien
- Jobverluste ähnlich dem US-Rostgürtel vor 20 Jahren
- Verlust der Technologieführerschaft durch «good enough»-Konkurrenz
- Abhängigkeit von schwächelndem chinesischen Binnenmarkt
Chancen:
- Förderung europäischer Innovation und Effizienz
- Liberalisierung des EU-Binnenmarkts
- Diversifizierung der Lieferketten
Empfehlungen:
- Genaue Beobachtung des nächsten chinesischen Fünfjahresplans (März 2026)
- Keine Selbstschwächung durch übermässige Regulierung
- Umsetzung der Draghi- und Letta-Berichte zur EU-Binnenmarktliberalisierung
- Strategische Neuausrichtung statt Festhalten am Status quo
Blick in die Zukunft
Kurzfristig (1 Jahr):
- Veröffentlichung des chinesischen Fünfjahresplans 2026-2030 mit weiteren «strategischen» Sektoren
- Verschärfung des Drucks auf deutsche Automobilindustrie und Schweizer Maschinenbauer
- Mögliche EU-Schutzmassnahmen gegen chinesische Überkapazitäten
Mittelfristig (5 Jahre):
- Weitere Deindustrialisierung Europas in traditionellen Stärkebereichen
- Chinesische Dominanz in KI, Robotik und Biotechnologie
- Strukturelle Arbeitslosigkeit in europäischen Industrieregionen
Langfristig (10-20 Jahre):
- Fundamentale Machtverschiebung in der globalen Industrielandschaft
- Mögliche populistische Reaktionen in Europa ähnlich Trump 2016
- Neuordnung der Weltwirtschaft in Blöcke mit begrenztem Freihandel
Faktenprüfung
Die im Artikel genannten Zahlen und Entwicklungen sind durch offizielle Statistiken und anerkannte Studien belegt. Die Analyse stützt sich auf solide Quellen wie die EZB, das Council on Foreign Relations und das Centre for European Reform. Die dramatischen Veränderungen in Chinas Exportstruktur sind durch Handelsdaten verifizierbar.
Weitere Quellen
- «The China Shock: Learning from Labor Market Adjustment to Large Changes in Trade» - David Autor, David Dorn, Gordon Hanson (2016)
- EZB-Studie zu Chinas Handelsungleichgewichten - Europäische Zentralbank
- «Made in China 2025» Strategiepapier - Chinesisches Regierungskabinett
Quellenliste
- Originalquelle: Der zweite China-Schock trifft Europa mitten ins Herz, The Market, Link
- Weitere Quellen:
- The China Shock Studies, Autor/Dorn/Hanson, diverse Jahre
- Centre for European Reform, China-Europa Handelsstudien
- Mercator Institute for China Studies (Merics), Berlin
- Fakten geprüft: am 14.11.2025
Kurzfazit
China vollzieht eine strategische Transformation von der «Werkbank der Welt» zum dominanten Industrieexporteur in Hochtechnologiesektoren. Was vor 20 Jahren den amerikanischen Rostgürtel verwüstete, trifft nun Europas industrielles Herzland mit voller Wucht. Die «good enough»-Strategie chinesischer Unternehmen - verbunden mit staatlicher Kreditflutung - macht selbst deutsche Präzisionsmaschinen und Schweizer Spezialprodukte obsolet. Europa steht vor einer existenziellen Herausforderung, die schnelles und entschlossenes Handeln erfordert.
Drei Schlüsselfragen
Welche Risiken für die wirtschaftliche Freiheit entstehen, wenn Europa seine industrielle Basis an ein autoritäres System verliert und damit in strategische Abhängigkeiten gerät?
Wo ist mehr Verantwortung von der EU-Politik gefordert, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu stärken, statt sie durch Überregulierung zu schwächen?
Wie können Innovation und Offenheit gefördert werden, um der chinesischen «Brachialgewalt»-Strategie eine europäische Antwort entgegenzusetzen, die auf Effizienz statt auf Subventionen setzt?