Bayern digitalisiert – aber bitte nicht zu viel Open Source

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Bayern digitalisiert – aber bitte nicht zu viel Open Source

Ein Kommentar zu einem Heise-Artikel, der unbeabsichtigt mehr über politische Prioritäten verrät als über Technik.


1. Übersicht – Worum geht’s überhaupt?

  • Autorin: Marie-Claire Koch
  • Medium: Heise Online
  • Datum: 24.11.2025
  • Lesedauer: ca. 6 Minuten (oder: 3 Minuten, wenn man das Wort „Microsoft“ schon oft genug gelesen hat)

Der Artikel beschreibt Bayerns neue Digitalstrategie – und zeigt zwischen den Zeilen, wie man Open Source lobt, ohne es je wirklich ernsthaft in Betracht zu ziehen.


2. Zusammenfassung – „Ich hab’s verstanden, du jetzt auch“

Thema

Bayern möchte die IT zentralisieren, stärker absichern und modernisieren. Klingt gut – bis man merkt, wie beiläufig Open Source zur Nebensache gemacht wird.

7 wichtigste Punkte:

  1. Bayern baut eine zentrale IT-Struktur, und Microsoft sitzt dabei prominent am Tisch.
  2. Wiederholte Cyberangriffe dienen als Begründung für mehr Zentralisierung (S. 1).
  3. Die IT wird in drei Schutzklassen verteilt: Bayern-Rechenzentrum, deutsche Clouds, US-Hyperscaler (S. 2).
  4. Das LSI übernimmt die komplette Sicherheitsüberwachung – Kommunen hängen voll im Netz des Freistaats (S. 2).
  5. Eine Microsoft-Zusatzvereinbarung wurde „geprüft und genehmigt“ – damit scheint alles gut (S. 2–3).
  6. Bauer behauptet, Open Source sei oft zu langsam, die Community reagiere nicht schnell genug (S. 3).
  7. Die Bayern-KI läuft in Azure, erhält 40 Nvidia-GPUs und soll Verwaltung modernisieren (S. 3–4).

3. Chancen & Risiken – „Es ist kompliziert“

Chancen

  • Einheitliche IT kann die Verwaltung effizienter machen.
  • Zentralisierte Sicherheit wirkt auf dem Papier professioneller.
  • Eine eigene KI-Infrastruktur könnte echte Vorteile bringen.

Risiken

  • Abhängigkeit von Microsoft wächst weiter – und das nennt man dann „Digitalisierung“.
  • Kommunen verlieren reale Entscheidungshoheit.
  • Open Source wird nicht geprüft, sondern wegargumentiert.

4. Blick in die Zukunft – realistisch pessimistisch

Kurzfristig (1 Jahr)

  • Kommunen richten sich nach dem, was technisch praktisch und politisch gewünscht ist – also Microsoft.
  • Erste Bayern-KI-Demos sorgen für Schlagzeilen, aber noch nicht für echte Prozesseffizienz.

Mittelfristig (5 Jahre)

  • Die zentrale Infrastruktur wird zum de-facto Pflichtmodell – freiwillig wie eine Steuererklärung.
  • Open-Source-Optionen bleiben Stückwerk, weil sie nicht strategisch gefördert werden.

Langfristig (10–20 Jahre)

  • Bayern könnte ein Paradebeispiel für Vendor-Lock-in werden.
  • Die KI könnte mächtig werden – aber die Frage lautet: Wem gehört sie wirklich?

5. Faktencheck – „Wo fehlt Transparenz?“

Belegt:

  • Die Häufung der Cyberangriffe (S. 1).
  • Die Cloud-Architektur und Microsoft-Kooperation (S. 2).
  • Aufbau der eigenen KI-Infrastruktur inkl. GPUs (S. 4).

Unklar:

  • Warum Open Source angeblich „nicht schnell genug“ ist – keinerlei Beleg.
  • Warum es keine vergleichenden Kostenanalysen gibt – nur Behauptungen.
  • Warum eine Microsoft-Vereinbarung leichter genehmigt wird als eine ernsthafte Open-Source-Strategie.
    [⚠️ Noch zu prüfen]

Die zentrale Frage, die der Artikel unfreiwillig aufwirft:

Warum prüft Bayern Open Source nicht genauso gründlich wie Microsoft?

Der Artikel zeigt (S. 3), dass Open Source mit einem einzigen Argument beiseite geschoben wird:
„Man könne sich nicht darauf verlassen, dass die Community Sicherheitsanforderungen schnell genug umsetzt.“

Das ist bemerkenswert – denn:

  • Die Community implementiert weltweit Sicherheitsstandards in kritischen Systemen.
  • Open-Source-Software treibt das Internet, den Wirtschaftsverkehr und ganze Betriebssysteme an.
  • Viele staatliche Lösungen in Europa basieren bereits auf Open Source – mit Erfolg.

Wenn man also behauptet, Open Source sei „nicht zuverlässig genug“, ohne es überhaupt systematisch geprüft zu haben, stellt sich eine einfache Frage:

Geht es hier wirklich um Sicherheit – oder um politische Bequemlichkeit?


6. Kurzfazit – ungeschönt

Bayern modernisiert – aber in eine Richtung, die mehr Abhängigkeiten schafft als Freiheiten.
Open Source wird erwähnt, aber nicht geprüft.
Microsoft wird kritisch hinterfragt – aber am Ende doch der praktische Standard.
Wer Digitalisierung ernst meint, sollte das anders machen.


7. Drei kritische Fragen, die man stellen muss

  1. Warum gibt es keine öffentliche, transparente Vergleichsstudie zwischen Microsoft und Open-Source-Lösungen?
  2. Welche Freiheit verlieren Kommunen, wenn sie faktisch in eine zentrale Microsoft-Struktur gedrängt werden?
  3. Wenn Open Source angeblich „nicht kann“ – warum hat Bayern nie versucht, es strategisch auszubauen?

Weiterführender Kontext

Thematisch passend: mein früherer Beitrag zu Bayerns Digitalstrategie:
➡️ https://clarus.news/de/Post/digitalstrategie-bayern-zentralisierung-mit-microsoft-statt-open-source-20251124