Zwischen Oligarchie-Panik und Realpolitik: Wie die Schweiz im Sturm segelt – und wer am lautesten kreischt

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Zwischen Oligarchie-Panik und Realpolitik: Wie die Schweiz im Sturm segelt – und wer am lautesten kreischt

Author: press@clarus.news

Wenn in Bern die Sirenen heulen – politisch wie rhetorisch – dann hat es meistens etwas mit Zoellen, der EU oder neuerdings auch mit Monstertrucks zu tun. Und tatsaechlich: Der juengste wirtschaftsdiplomatische Schlangenlinienkurs des Bundesrats bietet reichlich Stoff fuer Drama. Waerend Bundesrat Parmelin in seiner Rede nuechtern von "turbulenten Zeiten" spricht und mit Zahlen jongliert wie ein Tennisprofi mit Bällen, sieht die WOZ im selben Vorgang wahlweise eine Oligarchie-Invasion oder einen Kniefall vor dem imperialen Orange-Gott Trump.

Wer hat recht? Beide. Und gleichzeitig keiner.

Parmelin im Maschinenraum: 39% runter auf 15% – ein Erfolg, der sich nicht richtig freuen darf

Der Wirtschaftsminister bringt aus Washington eine Zollsenkung mit – von 39% auf 15%. Das ist nicht nichts, eher so etwas wie: "Besser als ein nasser Waschlappen, aber immer noch ein Schlag ins Gesicht." Die Schweiz bleibt benachteiligt, aber ein vollwertiger Zugang zum US-Markt waere eine Illusion gewesen. Und die 200 Milliarden Investitionen? Ein ambitioniertes Versprechen, aber eben auch eines, das noch viele Sternchen benoetigt (einige davon wahrscheinlich rot).

Dazu Kurzarbeit, Regulierungsentlastung, neue Freihandelsabkommen. Solide Realpolitik, sachlich vorgetragen, nicht ohne Selbstkritik. Kurzum: Bundesrat Parmelin bemueht sich um ein Loesungspaket, das unter den Bedingungen eines Kleinstaates realistisch ist.

Aber realistisch klingt halt nicht so sexy wie "Kniefall vor der Oligarchie".

Die WOZ sieht Goldbarren, Trumps Schergen und den Untergang des Abendlands

Im WOZ-Narrativ beginnt alles damit, dass "fuenf Schwerreiche" einen Goldbarren ins Weisse Haus tragen – ein Bild, das klingt wie aus einem Monty-Python-Sketch. Dann folgt der Vorwurf: Der Bundesrat habe kapituliert, die Demokratie verscherbelt, Big Tech hofiert und ein oligarchisches Weltbild verinnerlicht. Die 200 Milliarden Direktinvestitionen seien ein Geschenk an Trump, der wiederum nur eine Regel kenne: "dass fuer ihn keine gilt".

Man kann diese Sicht teilen – oder man kann sich fragen:

Warum sind linke Analysen oft nur dann kritisch, wenn die Realitaet nicht zu ihrer Theorie passt?

Die WOZ tut gerne so, als waere jeder schweizerische Kompromiss ein moralischer Waterloo-Moment. Aber seien wir ehrlich: Kleinstaaten machen Deals, weil sie muessen. Und die USA sind kein Debattierclub. Wer glaubt, man koenne wirtschaftspolitisch mit Trump Gleichstellung auf Augenhoehe erzaehlen, hat wohl zu viel "House of Cards" auf Arte geschaut.

"Team Oligarchie"? Eher Team Realitaet

Der WOZ-Vorwurf, Milliardaere wie Gantner und Trump wuerden ohnehin im selben "Team Oligarchie" spielen, ist zwar rhetorisch zugespitzt, verkennt aber die simple Wahrheit:

Oekonomische Interessen sind keine moralischen Kategorien.
Sie existieren einfach.

Wenn die Schweiz Firmen hat, die investieren wollen, dann tun sie das. Nicht, weil Trump ihnen ein Kuesschen auf die Stirn drueckt oder weil der Bundesrat heimlich die Demokratie abschafft. Sondern weil globalisierte Maerkte keine ideologischen Filter kennen.

Die linke Empoerung ueber wirtschaftliche Macht ist nachvollziehbar – aber sie hilft nicht, wenn man konkrete Zoellsaetze verhandeln muss. Da hilft nur Realpolitik und ab und zu auch das Runterschlucken ideologischer Leitplanken.

Die Schweiz zwischen den Bloecken: Mehr Schach als Moraltheater

Der weiterfuehrende Artikel "Schweizer Aussenpolitik zwischen Trump und EU – die Erosion der regelbasierten Ordnung" zeigt es deutlich:
https://clarus.news/de/Post/schweizer-aussenpolitik-zwischen-trump-und-eu-die-erosion-der-regelbasierten-ordnung-20251121

Die Regeln der internationalen Politik broeckeln. Und wenn die Regeln broeckeln, dann muessen Staaten wie die Schweiz improvisieren – manchmal elegant, manchmal unbeholfen, aber immer pragmatisch.

Zwischen Washington, Bruessel und Weltwirtschaftsrat taugt moralische Selbstueberhoehung wenig.
Handlungsfaehigkeit hingegen sehr viel.

Mein Fazit: Weniger Hyperventilation, mehr Handwerk

Die Schweiz macht Fehler, sicher. Aber sie kniet nicht.
Sie handelt.
Und Handeln in einer multipolaren Welt heisst selten, die Haende sauber zu behalten.

Der Clarus-Artikel zeigt die Regierungslogik, pragmatisch, unaufgeregt.
Der WOZ-Artikel zeigt die linke Logik, moralisch, alarmistisch.

Die Wahrheit liegt wie so oft dazwischen:
Die Schweiz ist weder Oligarchie-Marionette noch freiheitsliebender Alpen-James-Bond – sie ist ein Kleinstaat, der versucht, nicht zerrieben zu werden.

Und das ist schwer genug – ganz ohne Goldbarren.