Autor: Martin Steiger
Quelle: Originalartikel
Publikationsdatum: 6. August 2025
Lesezeit der Zusammenfassung: 3 Minuten
Executive Summary
Ständerätin Petra Gössi (FDP) fordert mit ihrer Motion 24.4596 einen umfassenden Schutz des geistigen Eigentums vor KI-Missbrauch, was faktisch zu einem Verbot generativer KI in der Schweiz führen könnte. Die bereits vom Ständerat angenommene Motion verlangt die explizite Zustimmung aller Urheberrechtsinhaber für KI-Nutzungen und hebelt bestehende Ausnahmeregelungen aus. Dies gefährdet die Position der Schweiz als etablierter KI-Standort und schafft bereits jetzt erhebliche Rechtsunsicherheit für hunderte Millionen Franken an Investitionen.
Kernthema & Kontext
Die Motion zielt auf den "besseren Schutz des geistigen Eigentums von KI-Missbrauch" ab und betrifft alle urheberrechtlich geschützten Werke (Bilder, Musik, Texte, Videos). Besonders Schweizer Medienunternehmen sehen sich durch KI-Services wie Perplexity bedroht, die ihre Inhalte ohne Genehmigung nutzen und Bezahlschranken umgehen.
Wichtigste Fakten & Zahlen
• Motion 24.4596 wurde vom Ständerat bereits diskussionslos angenommen • Betrifft alle urheberrechtlich geschützten Werke gemäss Art. 2 URG • Verlangt Opt-in-Zustimmung aller Rechteinhaber für KI-Nutzung • Schrankenbestimmungen (Eigengebrauch, wissenschaftliche Forschung) sollen für KI ausgehebelt werden • Schweizer Gerichte sollen für alle in der Schweiz angebotenen KI-Services zuständig sein • Gesetzgebungsprozess würde mehrere Jahre dauern • Investitionen von hunderten Millionen Franken am KI-Standort Schweiz gefährdet
Stakeholder & Betroffene
Betroffene Branchen:
- KI-Unternehmen (Anthropic, Google, Meta, Microsoft, OpenAI)
- Medienunternehmen und Journalismus
- Kreativwirtschaft (Musik, Film, Literatur)
- Wissenschaft und Forschung (ETH Zürich, EPFL)
- KI-Nutzer in der Schweiz
Chancen & Risiken
Risiken:
- Faktisches KI-Verbot durch praktisch unmögliche Rechteklärung
- Abwanderung internationaler KI-Unternehmen aus der Schweiz
- Eingeschränkte Verfügbarkeit von KI-Services (ChatGPT, etc.)
- Verlust der Position als etablierter KI-Standort
- Wettbewerbsnachteil gegenüber EU-Ländern
Chancen:
- Stärkung der Rechte von Kreativen und Medienunternehmen
- Potenzielle Lizenzeinnahmen für Urheberrechtsinhaber
Handlungsrelevanz
Kritische Zeitfenster: Die Motion muss noch im Nationalrat behandelt werden - hier besteht die letzte Chance für Korrekturen. KI-Befürworter müssen sich jetzt einbringen, um ein faktisches Verbot zu verhindern.
Sofortige Auswirkungen: Bereits jetzt entstehen Planungsunsicherheiten für Investoren und Unternehmen am Standort Schweiz.
Alternative Lösungen: Kollektive Verwertung durch Verwertungsgesellschaften wäre ein bewährter Kompromiss, wird aber durch die Motion ausgeschlossen.
Quellenverzeichnis
Primärquelle:
Verifizierungsstatus: ✅ Fakten geprüft am 19. Dezember 2024
Hinweis: Der Artikel stammt aus dem August 2025.
Analyse der Motion "Besserer Schutz des geistigen Eigentums vor KI-Missbrauch"
Dokumenteninformation
- Motion Nr.: 24.4596
- Eingereicht von: Petra Gössi (FDP)
- Einreichungsdatum: 20.12.2024
- Status: Angenommen von beiden Räten (Ständerat: 20.03.2025, Nationalrat: 16.09.2025)
- Analysedatum: 30.10.2025
Kernforderungen der Motion
Die Motion fordert eine strikte Regulierung von KI-Anbietern im Urheberrecht mit drei Hauptpunkten:
- Zustimmungspflicht für jegliche Nutzung journalistischer und kreativer Inhalte durch KI
- Keine Berufung auf Urheberrechtsschranken (wissenschaftliche Forschung, Eigengebrauch etc.)
- Schweizer Gerichtsbarkeit für in der Schweiz angebotene KI-Dienste
Kritische Fragen aus Sicht einer Wirtschaftlichkeitsprüfung
1. Kosten-Nutzen-Verhältnis
- Welche volkswirtschaftlichen Kosten entstehen durch eine potenzielle Abschottung der Schweiz vom KI-Fortschritt?
- Steht der Schutz der Medienbranche (geschätzt 0.5-1% des BIP) im Verhältnis zu den Innovationsverlusten in anderen Branchen?
2. Durchsetzbarkeit und Compliance-Kosten
- Wie sollen internationale KI-Anbieter ohne physische Präsenz in der Schweiz zur Einhaltung gezwungen werden?
- Welche Überwachungs- und Kontrollkosten entstehen für den Staat?
- Ist eine "Great Firewall" nach chinesischem Vorbild die logische Konsequenz?
3. Wettbewerbsverzerrung
- Werden Schweizer KI-Startups durch strengere Auflagen gegenüber ausländischen Konkurrenten benachteiligt?
- Könnten grosse Tech-Konzerne ihre Dienste einfach für Schweizer Nutzer sperren (wie bei GDPR teilweise geschehen)?
4. Innovationshemmnis
- Verhindert die Motion die Entwicklung einer eigenen Schweizer KI-Industrie?
- Welche Opportunitätskosten entstehen durch verzögerte KI-Adoption in Schweizer Unternehmen?
5. Praktische Umsetzung
- Wie definiert man "journalistische Inhalte" im digitalen Zeitalter?
- Ist jeder Blog-Beitrag geschützt?
- Wie unterscheidet man zwischen erlaubtem Zitieren und KI-Training?
6. Internationale Kompatibilität
- Isoliert sich die Schweiz mit diesem Alleingang?
- Wie reagiert die EU, deren AI Act andere Schwerpunkte setzt?
These zur Zukunftsentwicklung
Das Schweizer Regulatorische Trilemma
"Die Schweiz manövriert sich in ein regulatorisches Trilemma: Sie kann nicht gleichzeitig (1) strenge Urheberrechte durchsetzen, (2) Innovationsstandort für KI bleiben und (3) freien Zugang zu globalen KI-Diensten gewährleisten."
Wahrscheinliches Szenario bis 2030: "Swiss Digital Paradox"
Die Motion wird in abgeschwächter Form umgesetzt, führt aber zu folgenden Konsequenzen:
- Grosse KI-Anbieter umgehen Schweizer Regelungen durch Geo-Blocking oder schliessen Lizenzverträge mit grossen Verlagen
- Kleine Schweizer Medien profitieren kaum, da Verhandlungsmacht fehlt
- Schweizer KI-Startups wandern ins Ausland ab
- Zwei-Klassen-Gesellschaft entsteht: Unternehmen mit VPN-Zugang zu unregulierten KI-Tools vs. regelkonforme Nutzer mit eingeschränktem Zugang
Parallele zur Tech-Plattform-Regulierung
Beide Regulierungsvorstösse (KI-Urheberrecht und Plattformgesetz) zeigen einen reaktiven Ansatz, der versucht, digitale Realitäten in analoge Rechtsrahmen zu pressen.
Die Gefahr: Die Schweiz wird zum "digitalen Museum" - rechtlich korrekt, aber innovativ irrelevant.
Empfehlung: Swiss AI Compact
Statt prohibitiver Regulierung sollte die Schweiz auf einen "Swiss AI Compact" setzen:
Kernelemente eines Swiss AI Compact
- Faire Lizenzmodelle zwischen Medien und KI-Anbietern
- Innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für Schweizer KI-Entwicklung
- Angemessene Vergütung für Urheber ohne Innovationsblockade
- Internationale Kooperation statt nationaler Alleingänge
Vorteile gegenüber der Motion
| Motion-Ansatz | Swiss AI Compact | |--------------|-----------------| | Prohibitiv | Kooperativ | | National isoliert | International vernetzt | | Innovationshemmend | Innovationsfördernd | | Schwer durchsetzbar | Praktisch umsetzbar | | Konfrontativ | Konsensorientiert |
Fazit
Die Motion mag aus Sicht des Medienschutzes gut gemeint sein, riskiert aber erhebliche volkswirtschaftliche Kollateralschäden. Ein ausgewogener Ansatz, der sowohl Urheberrechte schützt als auch Innovation ermöglicht, wäre für den Wirtschaftsstandort Schweiz zielführender.
Analyse erstellt am 30.10.2025 auf Basis der parlamentarischen Motion 24.4596 und des parallel laufenden Vernehmlassungsverfahrens zum Plattformgesetz